verschiedene Presse Artikel über Kunsttherapie

Zitat: Stiftung Art-Thérapie, Stand: 18.1.2015

„Die Kunsttherapie hilft hospitalisierten Kindern und Jugendlichen sowie deren Angehörigen, indem sie ihnen andere Hilfsmittel als Worte – nämlich Kunst und Phantasie – an die Hand gibt, um ihr Leiden auszudrücken. Den von der Krankheit betroffenen Familien erleichtert sie den oft schwierigen Austausch.

Die Kunsttherapie heitert die Kinder und deren Angehörige auf, die sich wegen ihrer Ängste und ihres Leidens oft vollständig in die Stille zurückziehen. Der künstlerische Ausdruck ist eine wichtige Phase im Heilungsprozess bzw. im Umgang mit der schweren und unabänderlichen Diagnose. Durch ihn können die hospitalisierten Patienten ihre Ängste ausdrücken. Er weckt ihre Ressourcen und ihre Kreativität, bringt ihnen Erleichterung und Distanz zu ihrer Krankheit. Gleichzeitig ermöglicht er ihnen einen völlig neuen Blick auf sich selbst. Die Einsatzmöglichkeiten der Kunsttherapie variieren je nach Dauer des Spitalaufenthalts und der jeweiligen Situation des Patienten sowie je nach Spital und Abteilung.“

Artikel von

Laetitia von Peinen Diener, Kunsttherapeutin GPK, Zürich www.krebsliga-zh.ch www.lom-malen.ch www.kunsttherapie.ch

Die blaue Frau“ 

Mit Malen auf Krebs antworten

Die blaue Frau entstand nach meiner Brustkrebserkrankung im wöchentlichen Malen. Das Bild ist heute 18 Jahre alt.
Die Erfahrung damals, in dieser schwierigen Zeit einen Ort zu haben, wohin ich in meiner Sprachlosigkeit gehen konnte, um mich malend wieder zu finden, sehe ich heute als grosses Privileg an. Müssig, mir vorzustellen, wie ich ohne diese Malnische meine Sprache wieder gefunden hätte. Die Sprache und die dazugehörenden Schritte in den Alltag zurück. In dieser Zeit nahm ich in Rüschlikon an einem grossen Krebssymposium teil: «Krebs als Metapher». Die Diskussion unter Ärzten, Pflegepersonal, Therapeuten und Betroffenen zeigte, wie wichtig das Zusammenspiel einer optimalen menschlichen, medizinischen und psychologischen Betreuung für den weiteren Verlauf der Krankheit und deren Heilungsprozess ist und wie unerlässlich eine Offenheit für die individuellen Bedürfnisse und Bewältigungsstrategien eines  jeden Einzelnen! Ist dies gewährleistet, können die Selbstheilungskräfte aktiviert werden, welche wegführen vom geschehen lassen und dem Gefühl ausgeliefert zu sein. An diesem Symposium wurde mir klar, dass diese Erkenntnisse sich mit meinen Erfahrungen im Malen deckten. Diese Nische wollte ich für Mitbetroffene öffnen. Die Krebsliga des Kantons Zürich unterstützte meine Idee von Anfang an und subventioniert seither semesterweise das Begleitete Malen und zusätzlich seit fünf Jahren das Lösungsorientierte Malen LOM® für krebsbetroffene Erwachsene.

«Krebs als biographisches Wendeereignis, das eine Neuverteilung der Lebensrollen, eine Neuordnung der Umwelt-Beziehung, ein gewandeltes Körpergefühl und ein neues Selbst-Gefühl zur Folge haben kann» (Paul O. Pfister, Journalist, Symposiumsteilnehmer, Betroffener). Mit diesen Worten liesse sich auch meine eigene Erfahrung und die vieler krebsbetroffener Menschen, mit denen ich in den vergangenen Jahren gearbeitet habe, beschreiben.

Im Atelier arbeite ich mit einer Kleingruppe von fünf Erwachsenen im wöchentlichen Rhythmus von zwei Stunden. Zu Semesterbeginn wird mit jedem Teilnehmer in einem Gespräch herausgeschält, welches sein belastendster  Themenschwerpunkt ist. Auch wenn der Krebs die Motivation für die Teilnahme am Kurs ist, wird beim genaueren Überdenken klar, dass die Diagnose auch Wegweiser sein kann, belastende Dinge im Leben genauer anzuschauen, zu klären, endlich zu verändern. Für das Verständnis der Arbeitsmethode LOM® ist es wichtig, sich von Symbolbildern – wie z. B. Herz als Symbol der Liebe, Schlange als Symbol des Bösen, Rot als Farbe der Aggression etc. – frei zu machen, um unbelastet den eigenen Metaphern vertrauen zu können.

Um die Interessierten mit der Materie vertraut zu machen und die Skepsis über eine Metapherwirkung etwas abzubauen, schlage ich jeweils nach der ersten Gesprächsrunde vor, einen Moment inne zu halten, das Gesagte nachwirken zu lassen, eine Farbe dafür auszuwählen und dafür die passende geometrische Form zu finden: einen Kreis, ein Quadrat, ein Rechteck oder ein Dreieck. Die ausgewählte geometrische Metapher wird dann auf ein Blatt von 70/100 cm mit den Händen langsam und sorgfältig von innen nach aussen gemalt, bis die Form ihre definitive Grösse hat. Dann wird eine stärkende Hintergrundfarbe dazu gewählt. Gemalt wird mit Gouache oder Resonance Farben.

Durch dieses Gestalten ist der Malende im Kontakt mit sich selbst und dem Gesagten von vorhin. Diese Erfahrung überrascht die meisten und lässt sie etwas von der Arbeitsmethode LOM® erahnen. Schön ist es, wenn zum Schluss der ersten Stunde die Neugier auf weitere Erfahrungen stärker ist als das eher bekannte oder erwartete Gefühl «ich kann nicht malen». Die wenigsten Teilnehmer hatten sich bis zu diesem Moment mit Malen auseinandergesetzt, vielleicht sogar zum letzten Mal in der Schulzeit gemalt und schon gar nicht auf so grossem Format gearbeitet. Die Krebsdiagnose hat sie dazu gebracht, sich auf etwas einzulassen, was sie sich bis anhin nicht zugetraut haben. Eine weitere Erfahrung, die auch schon beim ersten Zusammentreffen gemacht werden kann, ist die Tatsache, dass wenn fünf Krebsbetroffene zusammenkommen, jeder einen anderen Schwerpunkt haben darf, er diesem vertraut und nur so seinen ganz persönlichen Weg aus der Krankheit, seinen weiteren Lebensweg finden kann – ungeachtet des Verlaufs anderer Krebsgeschichten – das ist ein wichtiger Punkt. Die Arbeit am Bild kann der Beginn sein, das Vertrauen, seine Wahrnehmung und Intuition zu erweitern und zu stärken. Das wiederum setzt Energien frei, die für den Heilungsprozess eingesetzt werden können.

Ein weiterer wichtiger Teil ist immer wieder, diese Menschen anzuhalten, ihre Kraft und Energie, die sie in diesem schmerzvollen Lebensabschnitt aufbringen müssen, zu würdigen: Ein Bewusstwerden über das Geleistete, die verfügbare Stärke und das Potential, welches trotz der Diagnose vorhanden ist. Das Atelier ist auch ein Ort, wo Trauer und Wut ihren Platz finden. All diese Emotionen, Würdigungen, Einsichten, Zielvorstellungen, Widerstände etc. werden mit Metaphern abgeholt.

Metapherabfrage:

Wenn deine Angst vor der nächsten Kontrolle ein Tier, eine Frucht, ein Dessert … etc. wäre? Was wäre es?

Im Allgemeinen taucht dazu sofort ein Bild auf. Dadurch, dass die Metapher ganz neutral ist, hilft es die Belastung, die empfunden wird, massiv zu reduzieren, der Stresskreislauf wird unterbrochen. Eine Überflutung der eigenen Hilflosigkeit findet nicht statt.

Malerlebnisse von krebsbetroffenen Frauen

Mit Krebs zu leben braucht Mut. Manchmal verspüre ich wahren Heldenmut, der sich diesem üblen Gewächs in meinem Körper entgegenstellt. Ich will kämpfen. Nicht so sehr gegen etwas – die Krankheit – sondern für mein Leben. Wenn ich dem Gefühl «ich bin mutig» in einer Metapher Gestalt gebe und mit den Händen auf ein grosses Blatt Papier male, wird mein Mut sichtbar. Und immer, wenn mich die Mutlosigkeit zu ersticken droht, kann ich mir anschauen, wie mein Mut aussieht, wie kräftig er ist, wie stark in seine feste Form gebunden, gehalten und unterstützt von einem stärkenden Hintergrund.

Krebs, der sich im Körper ausbreitet, macht Angst. Wie der Tumor, so wuchert auch die Angst. Sie findet keine Grenze und lässt sich nicht fassen. Mit Hilfe der Maltherapeutin gebe ich der Angst eine geometrische Form und eine Farbe. Ich male das Gefühl der Angst in der Metapher eines roten Dreiecks, beginne in der Mitte des Blattes mit einem kleinen Dreieck. Ich lasse es wachsen, wobei es immer seine Form bewahren muss.

Wenn nun die Angst fast das ganze Blatt füllt, be- kommt sie eine Hintergrundfarbe. Nun kann ich die Angst anschauen. Ich erkenne ihre Grenzen, sie ist für mich fassbar geworden. Wenn sie mich zu überwältigen, zu verschlingen droht, sehe ich die Grenzen, die ihr der Hintergrund setzt. In diesem Kontext hat sie Platz, diesen Raum gebe ich ihr – ich weiss, dass sie nicht mein ganzes Wesen überfluten kann.

Krebs macht traurig. Soviel musste ich aufgeben, soviel habe ich verloren. Meine Gesundheit, das Vertrauen in die Zukunft – habe ich überhaupt eine Zukunft? Ich habe meinen gesunden, zuverlässigen Körper eingetauscht gegen einen verstümmelten Körper, gezeichnet von der Strahlentherapie, gemartert und vergiftet in mancher Stunde Chemotherapie. Manchmal wächst die Traurigkeit ins Unendliche, lässt keinen Platz mehr für Zuversicht und Lebensfreude. Wenn diese Traurigkeit ein Tier wäre …? Sie wäre eine Ente. Und so male ich denn meine Trauer, male die Ente. Immer wichtiger wird das Motiv. Ich widme dem Tier viel Sorgfalt, gebe ihm Zuwendung und Aufmerksamkeit, jedes Federchen will sorgfältig platziert sein, die Watschelfüsse, der Schnabel – alles muss stimmen. Zuletzt bekommt die Ente einen passenden Hintergrund.

Das Bild ist fertig. Ich schaue meine Traurigkeit an. Die Metapher Ente umfasst für mich – und nur für mich, kein anderer Mensch versteht die Metapher – alles, was mit meiner Traurigkeit zu tun hat. Ich sehe auch, dass sie in einem Hintergrund eingebettet ist, sie beherrscht nicht alles, ihre Grenzen lassen Platz für andere Gefühle. Und ganz nebenbei, wenn ich das Bild lange genug anschaue, mich an die Mühe beim Malen und an das Vergnügen dabei erinnere, lässt die gemalte Trauer auch Freude und ein wenig Stolz über das gelungene Bild zu.

Es sind 2½ Stunden ganz alleine für mich. Ich und mein Blatt. Ich und meine Farben. Ich und meine Zeit. Einfach mal ich. Schmerzen vergessen. Ich geniesse dieses Malen als meine Reise, eine Farbenreise. Da ich immer viel in Farben spreche, war bald klar, dass das Malen für mich das Beste wäre. Nun habe ich schon einige Zeit verbracht mit Malen, es ist immer noch das gleiche Gefühl wie beim allerersten Mal. Eine Ruhe kehrt ein: lass los, male einfach, lass dir Zeit. In meinem Bauch entstehen Gefühle, die mich zur Ruhe bringen, vergessen lassen. Die Farben tragen mich. Ich kann ein Nein aufs Papier bringen, dazu noch lernen, warum es ein Nein ist. Schlechte Gedanken auf ein weisses Blatt weitergeben ist erlösend, befreiend, manchmal auch traurig. Durch das LOM® aber wieder bekommt es eine ganz andere Bedeutung, die Angst auf die Verarbeitung wird kleiner. Es wäre noch so vieles anzubringen, aber eines bleibt: Für mich ist es bis jetzt die schönste Art Probleme anzugehen, Ängste in Farben umzusetzen, Trauer in Farbe zu kleiden. 

Natürlich ist nach einem Malzyklus die Auseinandersetzung mit dem Krebs noch lange nicht beendet. Die immer nötigen Kontrollen, die dazugehörende Angst, die Angst vor einem Rückfall, vor weiteren Metastasen, strapazieren den Lebensmut und die gesetzten Perspektiven immer aufs Neue. Zum zurückeroberten Alltag gehört auch immer wieder die bange Frage … «ich bin doch gesund … oder»? Eine schwierige Aufgabe, mit dieser Frage leben zu lernen. Das Malen kann dabei eine grosse Unterstützung sein und helfen, die passenden Antworten zu finden und die Perspektiven nicht fallen zu lassen. Denn der Krebs bleibt auch bei guten Prognosen präsent – alles ist anders geworden – die Nähe zum Tod vorstellbarer als auch schon – das macht hellwach für das Leben.

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